Dienstag, 26. Januar 2016

Tag 4 - Abenteuer-Fieber

Der Vormittag verläuft mittlerweile sehr routiniert. Ich wache um 4 Uhr morgens aufgrund des infernalischen Geschnarches meiner Mitbewoherin auf und wechsle erneut auf die Hängematte (später am Nachmittag schenkt sie mir Oropax und wir kommen stillschweigend überein, dass sie ja immerhin nix dafür kann und wir pfeifen in Gedanken gemeinsam eine Friedenspfeife). Nach dem Frühstück fahre ich mit dem Fahrrad auf die Finca Modello, denn heute tue ich, wofür ich immerhin gekommen bin: Ich soll pflanzen. Mit dem pinken, aber sehr bequemen "Diva-Bike" (das steht auf dem Sattel) radle ich los und will fotografieren, was meinen Weg säumt. Aber ich habe Pech, denn sowohl der Akku meines Handys auch der der Kamera meines Papas sind ALLE.

Pinke Flauschblume

Schmetterling 1

Schmetterling 2


Bei der Finca pflanze ich wie besessen, bis ich von Anton (einem Professor der Uni Wien, mit dem ich auch vor einem Jahr meinen Aufenthalt hier ausgehandelt habe) aufgefordert werde, den Schülern meine Tätigkeit zu erklären. Also tue ich das vor glasigen Augen und fühle mich so wohl wie ein Fisch an Land. Aber es ist ganz ok und ich kann dafür eine Kakao-Pulpa-Verkostung raushauen. Die Pulpa ist das weiße, etwas schleimige Zeug um den Kern herum (meine Grazer Freunde wissen bestimmt Bescheid, denn fast jeder Steirer war sicher schon mal in der Zotterfabrik), schmeckt süß, lecker und lässt sich leicht von dem Kern runterlutschen. Ich behalte zwei Kerne, um sie vielleicht daheim einzupflanzen und esse einen. Es schmeckt bitter und sehr sehr entfernt nach Schokolade, aber weit entfernt von gut. Wenn man den Kern aufbeißt, ist er innen lila.
Mit immernoch brüchigem, aber immer besser werdendem Spanisch kann ich mit Elias ausmachen, dass ich zur Station fahre, um Schweinefutter zu holen (und meine zweite Kamera). Das Schweinefutter ist nicht da, aber meine Kamera, also kann ich ein paar Fotos von Kühen, Reihern (?), bunten Pflanzen und einem Pferd, dass sich im Fluss abkühlt, machen.
Auf der Finca zurück erkläre ich: "No comida por los cerdos. Lea dice, que Daniel tiene la comida". Das zieht und ich gehe dazu über, Pflanzen zu gießen, mich selbst zu gießen, weil es heiß ist und meinen Hut zu gießen, weil dem auch heiß ist und ich ihn dann aufsetzen kann. Die Katze spielt mit einer Eidechse oder so was und meine Versuche, sie wegzutragen, scheitern kläglich. Sie findet das arme Viecherl immer wieder.



Ich pflanze noch zwei Bäume, stelle mich beim Loch graben unsagbar dämlich an, aber schaff es trotzdem und verschwinde zu Mittag auf die Tropenstation. Dort tue ich es dem Pferd gleich und setze mich in den Fluss. Ich sehe ein paar Basilisken (auch Jesus-Christus-Echse genannt) über das Wasser rennen und beschließe in einer Anwandlung von Abenteuerlust dem Fluss aufwärts zu folgen. Irgendwann mache ich aber kehrt, weil es gibt Mittagessen und beschließe das Abenteuer auf einen anderen Tag mit besseren Schuhen zu verlegen. Außerdem hat auch der Akku meiner zweiten Kamera den Geist aufgegeben und ohne Fotos ist so eine Flusswanderung ja auch irgendwie nix.





Und nun kommen wir zu einem Teil, bei dem meine Mama vermutlich die Hände über dem Kopf zusammenschlagen wird. Denn mich packt die Entdeckerwut und da wir gerade zu viert allein auf der Station sind und die anderen drei mit Arbeit schreiben beschäftigt sind, packe ich mein Zeug für eine Wanderung und melde mich vage mit den Worten "wenn ich bis zum Abendessen nicht zurück bin, rettet mich!" ab. Wie es sich für einen guten (oder eher sehr schlechten?) Abenteurer gehört, gebe ich nicht mal an, wohin ich gehe. Ich marschiere die Schotterstraße zur Esquinas Lodge entlang.
Auf der linken Seite befindet sich auf dem Grundstück der Lodge ein Teich mit Kaimanen. Ich kann sogar einen entdecken, aber die schleißige Handykamera macht nur sehr vage, Loch Ness mäßige Fotos. Ich schwöre aber, dass er da ist.



Irgendwo da rechts war der Kaiman. Wirklich.


Dann gehe ich weiter und frage höflich bei der deutschsprachigen Rezeptionistin nach, ob ich den Waterfall Trail gehen dürfte. Sie sagt mir sehr freundlich, dass sie in der Lodge ihren Gästen am Nachmittag eigentlich empfehlen, nicht mehr in den Wald zu gehen. Es wird ja auch sehr schnell finster im Wald. Aber sie sagt auch, dass ja schließlich permanent Studenten von der Station hier durch den Wald gurken, also es schon ok gehen wird. Ich verschweige ihr geflissentlich, dass ich eigentlich nicht mal Botanikerin bin und bedanke mich. Eigentlich hätten mich ihre Worte abhalten sollen, aber in einem Anfall von zu gleichen Teilen vertretener Abenteuerlust, Dummheit, Ungeduld und "Ach, scheiß drauf" jugendlichem Übermut gehe ich beschwingt in den Wald hinein.
Kinder, macht das nicht nach. Das Unternehmen war von vorn herein quasi ein Himmelfahrtskommando (na ja, vielleicht auch nicht, aber ich mag das Wort Himmelfahrtskommando wegen seiner dramatischen Wirkung.), denn ich hatte a) keinen Empfang am Handy, b) wusste nur die Rezeptionistin, wo ich stecken könnte, c) hatte ich kaum Wasser dabei (was das geringste Problem darstellen sollte, denn ich befand mich ja auf dem Waterfalltrail, der entlang des Flusses verläuft) und d) trug ich nur Wanderschuhe, was mir wegen der Möglichkeit einer Schlange zu begegnen noch am meisten Sorgen bereitete. Nichts desto trotz ließ ich mich nicht aufhalten.







Ich gehe durch den Wald, erfreue mich an der üppigen, dichten Vegetation und an den vielen Schmetterlingen, die ich auch zum Teil fotografiere. Ich sehe auch wieder einen blauen Morphofalter, der sogar nicht allzu fern von mir landet, aber seine Flügel schließt und deswegen fotomäßig nicht zu gebrauchen ist. Für alle, die trotzdem gerne wissen wollen, wie der aussieht: Hier ein
Foto mit Link

http://www.nr-kurier.de/artikel/18788-fruehling-im-herbst--warum-es-in-sayn-jetzt-noch-schmetterlinge-gibt

Den ersten Wasserfall bewundere ich eine Weile gebührend und steige dann weiter über immer steiler und schmaler werdende Hänge durch den Regenwald hinauf. Es ist heiß und ich zerkoche allmählich. Ich fühle mich sehr Indiana Jones-mäßig wie so häufig hier in Costa Rica, aber die Vorstellung von Giftschlangen lässt mich doch sehr auf jeden Schritt achten. Lianen, unendlich hohe Bäume, Spinnen, Schmetterlinge und Frösche begegnen mir bei meinem Aufstieg und mir steht der (Angst-)Schweiß auf der Stirn.


Wasserfall



Und plötzlich geschieht etwas unmögliches: Vor mir steht ein Jaguar. Eine zwei Meter lange Raubkatze, die noch niemand hier gesehen hat. Ich will zurückweichen, doch hinter mir kriecht eine tödlich giftige Lanzenotter aus dem Laub. Rechts Abgrund, links der Wasserfall. Es gibt kein Entkommen vor dem sicheren Tod.

Riesenwurzeln

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Riesenbaum

Finde den Frosch

Außer aus meinen Tagträumen aufzuwachen und mir das Jaguarbild aus einer Fotofalle genauer anzusehen. Ich bin auf dem Kamm des Hangs angekommen und stehe an einer Kreuzung. Weil ich in meiner unvermeidlichen Intelligenz auch die Karte vergessen hab, weiß ich nicht, in welche Richtung ich gehen muss, stehe eine Weile ratlos da, trinke Wasser und entscheide mich nach 100 Metern in die sicherlich falsche Richtung, umzukehren und das Abenteuer vorerst zu beenden. Denn ich bin auch schon seit einer dreiviertel Stunde unterwegs und es wird bald dunkel.
Also kehre ich um und mach mich wieder auf den Abstieg, bewundere erneut auf dem Rückweg den Wasserfall und verlasse den Wald. Kaum bin ich wieder auf dem sicheren Boden der Lodge, schleicht sich ein unverschämtes, siegesgewisses Grinsen auf mein Gesicht. Eh nix passiert, denke ich mir. War ja gar nicht schwierig, sollen nicht alle gleich den Verstand verlieren, wenn man mal auf eigene Faust durch einen fremden Wald latscht, klopfe ich mir in jugendlichem Übermut selbst auf die Schulter.
Aber so sind wir jungen Leute nun mal: Jung, dumm, übermütig, unverschämt und selbstverliebt. Wir überschätzen uns selbst, leben unsicher und haben vor allem große Angst, irgendetwas zu verpassen, denn schließlich will ich was sehen, wenn ich schon mal in Costa Rica bin. Und dann nehmen wir alles auf die leichte Schulter, denn schließlich ist ja nix passiert und wie wir alle wissen, ist ja auch noch nie jemand dabei überfahren worden, wenn man ohne zu gucken über die Straße geht. ;P

flirty Kaiman wünscht eine gute Nacht



2 Kommentare:

  1. Verfolge deinen Blog mit großer Spannung, pass bloß auf dich auf!

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    1. OOOOhhhhh, dankeschön ^^. Hast du auch einen Irländisch Blog?

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